Text und Fotos: Ursula Bläuenstein

Empfang am Bahnhof Rheinfelden

Bericht vom Ausflug nach Rheinfelden am Freitag, 7. Oktober 2022

Herr Rosenthaler nahm die 18 Mitglieder des Forum 60 plus am Bahnhof Rheinfelden in Empfang. Laut ihm haben wir einen typischen Rheinfelder Tag getroffen, sonnig und warm: Das Klima passe eher ins Tessin als in den Norden der Schweiz.

Das Bahnhofgebäude ist immer noch dasselbe wie 1875, als die Fortsetzung der Bahn von Zürich nach Baden über den Bözberg bis Basel in Betrieb genommen wurde. Knapp sichtbar ist vom Bahnhof aus die Brauerei Feldschlösschen, die 1876 anstelle einer alten Chemiefabrik, genannt Gifthütte, erbaut wurde.

Wirtshausschild einer ehemaligen GasthausesDer Spaziergang durch Rheinfelden wurde mehrmals unterbrochen. Es war spannend, Herrn Rosenthaler zuzuhören. Seine Erzählungen waren eine interessante Mischung aus historischen Ereignissen mit ein paar Jahreszahlen und amüsanten Anekdoten aus der alten Zeit oder mit Bezug zur Gegenwart.

Dazu ein paar Beispiele: Wenn Rheinfelder von «unsere Kaiserin» sprechen, meinen sie Maria Theresia. Diese Frau hatte schon vor rund 250 Jahren versucht, etwas für die Gleichberechtigung der Frauen zu tun. Bei der Einführung einer allgemeinen Schulpflicht im ganzen Kaiserreich verlangte sie ausdrücklich die Einrichtung von Mädchenschulen. Allerdings waren die Oberen in Rheinfelden der Meinung, dass die Mädchen heiraten und Kinder kriegen müssten und dafür keine Schule bräuchten. Zudem war Wien weit weg und der Befehl zur Einrichtung der Mädchenschule wurde zuunterst in einer Schublade versenkt. Als die Kaiserin 20 Jahre später doch die Reise nach Rheinfelden unternahm, musste man notfallmässig ein Mädchenschulhaus einrichten.

Obertorplatz mit ObertorturmAm Obertorplatz und nahe dabei sind noch ein paar Gebäude als ehemalige Restaurants identifizierbar, haben aber den Betrieb eingestellt. Das grösste und wichtigste war der Adler. Einen Gasthof Adler gibt es im Fricktal sehr oft, ähnlich wie im Berner Herrschaftsgebiet der Bären oft am wichtigsten ist. Früher gab es sieben Beizen in der Nähe des Obertors. Weil junge Rheinfelder bei der Beizentour oft abstürzten (absoffen wäre passender), hiess der Platz im Volksmund Bermudadreieck.

Es gibt in Rheinfelden nicht nur Sehens-, sondern auch Hörenswürdigkeiten. Die Turmglocke des Obertorturms schlägt die bevorstehende volle Stunde sieben Minuten zu früh. Es heisst, dies sei einst als Serviceleistung für die Bauern eingeführt worden, die ausserhalb der Stadtmauern auf den Feldern arbeiteten. Abends wurden die Stadttore verschlossen, und wer bei Torschluss nicht innerhalb der Stadt angelangt war, musste die Nacht draussen verbringen. Die Rheinfelder bauten gleich noch eine zweite Stundenschlag-Warnanlage ein: Die Uhr am Rathaus stellten sie drei Minuten vor, als allerletzten Aufruf für die Rückkehr in die Stadt. Die Stadtkirche schliesslich schlägt pünktlich.

Gasthaus zum Engel, ehemaliges ArmenbadDr. H. Keller war Badearzt und gründete 1864 im Gasthaus Engel das erste Armenbad, das heisst es gab Badekuren, die für arme Leute gratis waren. Es war ihm wichtig, dass auch Frauen in den Genuss von Badekuren kommen konnten, um Frauenkrankheiten zu heilen. Die katholische Kirche hatte Dr. Keller aus der Kirche ausgeschlossen, weil er so die Leute zu unsittlichem Verhalten angestiftet hatte. Es wird berichtet, dass manche Frau, die keine Kinder bekommen konnte, nach der Badekur schwanger wurde.

Die ehemalige Brauerei SalmenDas Gebäude mit der auffälligen roten Farbe war die erste grosse Brauerei in Rheinfelden, die Brauerei Salmen. Franz Joseph Dietschi übernahm 1799 das Gasthaus Salmen und begann dort nicht nur für seine Gäste, sondern auch für die Wirte der Restaurants in der Umgebung Bier zu brauen.

Die Brauerei Feldschlösschen wurde erst 1876 gegründet. 1884 verlegte die Brauerei zum Salmen ihre Produktion ans Rheinufer westlich der Altstadt. Nachdem Salmenbräu 1971 der Sibra-Holding beigetreten war, verschwand 1978 die Marke Salmenbräu aus marktstrategischen Gründen ganz und 1991 wurde sie schliesslich von der Feldschlösschen­gruppe übernommen.

Fassade des StadthausesSeit Januar 2022 betreiben drei junge Leute in Rheinfelden ihre Brauerei "Bokkie". Der Name soll an die Legende vom Schneider erinnern, der die Stadt im Dreissigjährigen Krieg vor den Schweden rettete, indem er sich in das Fell des letzten geschlachteten Ziegenbocks nähte und meckernd auf der Stadtmauer herumspazierte. Der Anblick des vermeintlich gut gemästeten Tiers gab den ohnehin belagerungsmüden Schweden den Rest und sie verschonten die Stadt.

Stadtwappen des Zähringer-GründungenDie letzte Station der Führung war im Innenhof des Rathauses mit einer grossen Tafel, auf der alle Zähringer Stadtgründungen, also auch Rheinfelden, mit Wappen aufgelistet sind.

Fassaden mit Fachwerk und SgrafittoObwohl alle Herrn Rosenthaler gerne zuhörten und auch den Querschnitt durch die Geschichte mit ein paar Kriegen (Schlacht bei Sempach auf dem Wandbild) und Heiraten in den Adelsfamilien interessant fanden, waren viele müde vom Stehen und froh, dass die Führung zu Ende war. Die meisten trafen sich anschliessend im Café Graf, wo wir uns stärken und etwas plaudern konnten, bevor wir die Heimfahrt antraten.

Schmale Häuser in der Altstadt

 Gasthaus FeldschlösschenFeudales Eingangstor